Rehdeko oder Reh-Deko
Haben Sie auch schon einmal in einschlägigen Portalen nach dem legendären schweizerischen Lautsprecher gesucht? Dann sind Sie vielleicht auch bei kitschigen Plastikgebilde unter dem Suchbegriff "Reh-Deko" gelandet.
Heutzutage ganz selten findet man dann doch das Objekt seiner Begierde. Meist in Form einer 115er oder 125er, selten einer 145er, praktisch nie eine 175er. Manchmal Modelle ohne die "1" davor, manchmal mit dem Zusatz mehrerer "S"en. Die Zuordnung und Wertung dieser Spezies soll die Spielwiese der Haarspalter bleiben.
So einiges gibt es in den Weiten des Netzes über diese Wandler zu lesen: zum größeren Teil hämische Kommentare, zum kleineren wirkliche Auseinandersetzungen mit diesem seltenen Stück. Jedenfalls wird ihr Schöpfer als so etwas wie ein Guru, Fanatiker oder Genie betrachtet. Grund genug, der Sache selbst auf den Zahn zu fühlen.
Für meinen Hörraum war es dann eine RK 115, mit ihrem einzigen Breitbandchassis die unverfälschteste Variante. Dieses Flair von Handarbeit, von unzähligen Stunden des Probierens, des Änderns und Verwerfens, des Optimierens. Diese glänzend schwarze Oberfläche, das tiefe Blau der Membran mit goldenem Krönchen in der Mitte. Ein Kind der Hingabe und Liebe. Und ich erinnere mich gerne an die schönen Stunden mit ihr zurück.
Dieser Wandler fordert eine intensive Beziehung ein, will beachtet und umsorgt sein. "Plug and Play" geht nicht. Anderenfalls kommt man recht bald zu dem Schluss (ich zitiere): "der schlechteste Lautsprecher den ich jemals gehört habe". Zitat-Ende. Und das hat unsere exotische Schönheit wirklich nicht verdient.
Es begann schon mit der Aufstellung. Ich besaß nicht die klassischen Ständer, die an einen Wippstuhl im Bauhaus-Stil erinnern und die typischen Kratzer im Lack der Gehäuse-Unterseite hinterlassen. Ich hatte aber sehr gute und standfeste No-Name Produkte aus Eisen, die teilweise mit Sand gefüllt waren. Die passten gleich einmal gar nicht - zu höhenbetont, zu metallisch, zu aggressiv. Ob da die besagten, ebenfalls metallenen, "Affenschaukeln" mit weniger Masse besser sind, sei dahingestellt. Deutlich besser und letztlich meine erste Wahl waren (provisorisch) selbstgebastelte hölzerne Ständer mit definierter Masseverteilung und bewusst über ein größeres Frequenzspektrum verteiltem Resonanzverhalten verschiedener Bestandteile.
Heikel war auch die Auswahl, Aufstellung und die Verkabelung der vorgeschalteten Geräte. Genau das kann nun aber auch als ein Kriterium sehr guter und sorgfältig konstruierter Lautsprecher verstanden werden die jede Blöße ihrer Spielpartner gnadenlos aufdecken. Wir werden sehen.....
Haben Sie schon einmal ein Decca-London System nach einem x-beliebigen anderen MM- Tonabnehmer an Ihren Arm montiert? Dann hat Sie sicher auch diese Unmittelbarkeit, diese nie gehörte Geschwindigkeit und Dynamik umgehauen. Ähnlich unerwartet ist das, was einem die Rehdeko aufwartet. Ein klarer, dynamischer, unmittelbarer Klang ist das, was einem da entgegen perlt. Ja- perlen ist der richtige Ausdruck dafür, was diesen Lautsprecher ausmacht. Klavieranschläge sind wirkliche Schläge der Hämmerchen auf die Saiten, gezupfte Gitarrensaiten deutlich als solche zu erkennen. Gesang wird glaubhaft durch menschliche stimmbildende Organe produziert.
Entsprechend ist auch die Raumabbildung und plastische Modellierung der Klangkörper vorzüglich. Ein klassischer Vorteil eines Breitbänders. Das Timbre von Instrumenten wird liebevoll individuell herausgearbeitet, hat aber eine Tendenz ins Helle - und das kann ebenfalls als Charakteristikum dieses Lautsprechers gewertet werden.
Allein schon konstruktionsbedingt ist also der Bass unterbelichtet. Man kennt den Effekt, der bei anderen Produkten oft bewusst eingesetzt wird: weniger Bass macht den Klang offener und anspringender - wohl auch hier. Selbst die größeren Rehdekos sind angeblich nicht gerade Bass-Wunder. Es fehlt also definitiv die Fülle im Klang.
Und da gibt's auch eine gewisse Verfärbung, die mit nichts auf der Welt wegzubringen ist. Sie mag mit der Art, wie ein altes Horn klingt, vergleichbar sein oder einfach an einen leeren Tanzsaal erinnern. Das war schließlich auch der Grund, warum ich mich dann doch mit einem weinenden Auge von diesen Raritäten trennte.
Mit Sicherheit können die Rehdekos aber mehr Freude vermitteln als viele mit großem Aufwand und leider oft kleiner Selbstkritik gebastelten Lautsprecherkonstruktionen.
PS: Eine sehr kurze Affäre hatte ich unmittelbar danach mit der kleinen Tocaro ab. Ein Lautsprecher, der in einem gewissen Hifi-Magazin über den grünen Klee gelobt wurde. Das Warum konnte ich nicht schlüssig nachvollziehen. Viel vereint diese Tocaro mit einer Rehdeko klanglich nicht- außer vielleicht einem ähnlichen Äußeren.
Hörkette:
47 Laboratory Flatfish mit Progression DAC, TEAC VRDS 25X CD Player, Altmann Attraction DAC, 47 Laboratory Gaincard, Maihak V72 und V73, Hiraga Class A, Altmann BYOB Amp, modifizierter Goldmund, OTA-Kabel, Anti-Cable